Paul Wallot
Architekt
26.06.1841 in Oppenheim/Rhein
† 10.08.1912 in Langenschwalbach
Der Schöpfer des Berliner Reichstagsgebäudes, Sohn eines Weingutbesitzers und Hugenotten-Nachkomme, Paul Wallot, wurde 1841 in Oppenheim am Rhein geboren. Zeitlebens bestand er auf der deutschen Aussprache seines Namens mit »t«. An der Bauakademie in Berlin, Hannover, Darmstadt und Gießen studierte er Architektur unter anderem bei Martin Gropius und Richard Lucae, dem Erbauer der Frankfurter Alten Oper. Nach Studienreisen nach Italien lebte Wallot als Privatbaumeister von 1868 bis 1883 in Frankfurt am Main. Seine Entwürfe für das Niederwalddenkmal (1878) und den Frankfurter Hauptbahnhof (1880) wurden aber nicht umgesetzt.
Als 1882 der zweite Wettbewerb für ein Reichstagsgebäude in Berlin ausgeschrieben wurde (der erste Entwurf konnte nicht realisiert werden, weil das Grundstück noch nicht zur Verfügung stand), erhielt der Entwurf des bis dahin noch unbekannten Architekten 19 von 21 Stimmen der hochrangig besetzten Jury und wurde als »Überschreitung der Mainlinie in der Baukunst« gefeiert. Drei Mal musste der Grundriss allerdings noch geändert werden, bis am 9. Juni 1884 der Grundstein gelegt werden konnte.
Wallot siedelte nach Berlin über und investierte die nächsten zwölf Jahre seines Lebens in die Bauleitung. Dabei musste er zahlreiche Konflikte durchstehen – darunter den heftigsten mit Wilhelm II. Zum persönlichen Bruch kam es, als der Kaiser bei einer Begegnung mit Wallot ansetzte, die Pläne zu verändern und zu dem 18 Jahre Älteren sagte: »Mein Sohn, das machen wir so!« Der relativ kleine Wallot richtete sich entschieden auf und entgegnete: »Majestät, das geht nicht!« Der brüskierte Kaiser lehnte fortan den ganzen Bau ab und bezeichnete ihn während einer Italienreise als »Gipfel der Geschmacklosigkeit« – womit er sich den Unmut der gesamten deutschen Künstler- und Architektenschaft zuzog.
Konflikte gab es auch um die Kuppel des Gebäudes, die dem Kaiser angeblich deshalb nicht gefiel, weil sie sieben Meter höher als die des Berliner Stadtschlosses war. Wallot selbst änderte ihre Lage zu einem Zeitpunkt nochmals, als der Bau schon weit fort geschritten war, und musste deshalb aus statischen Gründen eine Konstruktion aus Stahl und Glas wählen, die sich im scharfen Kontrast zum kaiserlichen Hofstil befand.
Bei der Fertigstellung des Reichstages (heutige Adresse: Platz der Republik 1) im Jahr 1894 wurde Wallot zwar zum Geheimen Baurat ernannt, der Kaiser verweigerte ihm aber eine Goldmedaille, die ihm die Jury der Großen Berliner Kunstausstellung einstimmig zuerkannt hatte. Weitere Auseinandersetzungen brachte die 1891 begonnene Ausschmückung der Innenräume mit sich. Auch weil er sich in Berlin unverstanden fühlte, hatte Wallot 1894 einen Ruf als Professor der Baukunst an die Kunstakademie und die Technische Hochschule in Dresden angenommen. Der maßvoll proportionierte Sächsische Landtag wurde Wallots zweites Hauptwerk. Unterdessen wirkte er weiter als Leiter der »Ausschmückungskommission« des Berliner Reichstages und pendelte zwischen den beiden Städten. Im März 1899 kam es zu einem Eklat über zwei gigantische Bilder von Franz Stuck und zwei Wahlurnen des Bildhauers Adolf Hildebrandt, im Verlaufe dessen Wallot sein Amt als Leiter der Dekoration aufgab. 1911 legte Wallot seine Lehrämter nieder und zog sich nach Biebrich am Rhein zurück. Er starb ein Jahr später in Langenschwalbach im Taunus.
Zwischen 1995 und 1999 wurde das während der deutschen Teilung nicht mehr als Parlament genutzte Reichstagsgebäude vom Architekturbüro Norman Forster grundsaniert. Seit beherbergt es den Deutschen Bundestag.