Johannes Wilhelm Geiger

Physiker

Portraitfoto Geigers mit Nickelbrille

* 30.09.1882 Neustadt (Weinstraße)
† 24.09.1945 Potsdam

Um es gleich vorweg zu sagen: Johannes Wilhelm Geiger ist tatsächlich der Erfinder des Geiger-Zählers. Gemeinsam mit dem Doktoranden Walther Müller stellte er 1928 das Proportionalzählrohr vor, mit dem man Radioaktivität nachweisen und messen kann. In einer gasgefüllten Röhre wird ein Metallstab auf 2000 Volt gebracht. Bei Radioaktivität erzeugt das Gas Stromstöße, die als feine Schläge zu hören sind. Je schneller die Schläge, desto höher die Radioaktivität. Dieses Zählrohr machte als Geigerzähler Weltkarriere, ist heute ein Standardinstrument der Kernphysik.

Allerdings würde es dem Physiker nicht gerecht, reduzierte man seine wissenschaftliche Leistung darauf. Geiger hat Grundlagenforschung betrieben, er hat Basiswissen zur Atomphysik und zur Kernspaltung an der Seite der bedeutendsten Kollegen seiner Zeit erforscht und gelehrt. Wer der Mensch hinter den Alpha- und Betateilchen, den Neutronenbeschleunigern und Heliumkernen war, bleibt weitgehend im Dunkeln. Die wenigen Fotos zeigen einen streng blickenden Herrn mit hoher Stirn, Schnauzbart und Brille. Seine Frau Lilly gebar ihm drei Söhne. Fest steht, dass Johannes Wilhelm Geiger 1882 in Neustadt an der Weinstraße geboren wurde. Während sein Vater Dr. Wilhelm Ludwig Geiger angesehener Iranistiker und Indologe war, zog es den jungen Hans in die Welt der Physik.

Physikalisch-Technische Reichsanstalt
Physikalisch-Technische Reichsanstalt 1906

1896 hatte Henri Becquerel die Radioaktivität entdeckt. Das fortschreitende Wissen um das Wesen der Atome faszinierte die Gelehrten in aller Welt. Nach der Promotion wurde Geiger 1906 Assistent des späteren Nobelpreisträgers Ernest Rutherford in Manchester. Er arbeitete an der Entwicklung und Überprüfung des Rutherfordschen Atommodells vom Kern und der ihn umgebenden Elektronenhülle.  Dass Rutherford den Nobelpreis für Physik 1908 ungeteilt bekam, vermerkten viele Kollegen mit Befremden.

1912 wechselte Geiger nach Berlin. Mit 30 Jahren wird er Leiter des neuen Labors für Radiumforschung an der Physikalisch-Technischen Reichsanstalt (PTR) in Charlottenburg, Werner- von-Siemens-Straße (heute Abbestraße 8).

Grundlegende Eich- und Prüfmethoden wurden unter seiner Leitung dort entwickelt. Von einer militärischen Nutzung war die Kernphysik noch weit entfernt, die medizinische stand im Vordergrund.

Geigerzähler

1925 auf den Lehrstuhl für Experimentalphysik der Uni Kiel berufen gab Geiger dort seinem berühmten Zähler den letzten Schliff. 1936 kehrte er nach Berlin zurück als Direktor des Physikalischen Instituts der Technischen Hochschule. Geiger kannte nur die Welt der Physik: die Stille, das leise Herumhantieren mit haarfeinen Drähtchen, mit Goldfolie und Zinkblende. Beobachten, zählen, warten. Politik interessierte ihn nicht.

Er war nicht gegen die Nazis, aber auch nicht für sie. Öffentlich wandte er sich jedoch gegen die ideologisch begründete Verketzerung der “jüdischen” Relativitätstheorie und der Quantenphysik. Er sah die akademische Freiheit und das internationale Ansehen seiner Wissenschaft in Gefahr. Wie nahe er tatsächlich aktiv am deutschen Atomwaffenprogramm mitgearbeitet hat, bleibt unklar.

1943 erkrankte Geiger. Ihn plagte ein rheumatisches Leiden, das ihn kaum noch sein Haus in Potsdam-Babelsberg (August-Bier-Straße 9) verlassen ließ. Im Juni 1945 konfiszierte die russische Armee seinen gesamten Besitz, die wertvolle Bibliothek und sein umfangreicher wissenschaftlicher Schriftwechsel gingen verloren. In Potsdam starb Hans Geiger kurz vor seinem 63. Geburtstag. Er wurde auf dem Friedhof Grunewald beerdigt.

Erst Anfang der 50er Jahre gewährte der West-Berliner Senat der völlig mittellos gewordenen Witwe eine Pension. Der Herr Professor hatte es versäumt, sein Zählrohr patentieren zu lassen.